Harninkontinenz

 Harninkontinenz (Blasenschwäche)

Definition der Harninkontinenz

Die Blase ist ein dehnbares Hohlorgan, in dem der Urin gesammelt wird. Um die Blase zu entleeren, müssen sich die Schließmuskeln am Beckenboden, der innere und äußere Sphinkter, entspannen. Dann kann der Urin in die Harnröhre abfließen.

Ist die Funktion der Beckenbodenmuskulatur gestört, kann die Harnröhre nicht mehr richtig verschlossen werden. Es erfolgt eine ungewollte Ausscheidung von Urin. Obwohl meistens nicht die Harnblase selbst die Ursache ist, ist der Begriff Blasenschwäche für Harninkontinenz weit verbreitet.

Harninkontinenz bei Kindern

Ein unkontrollierter und unfreiwilliger Urinverlust ist bei Kleinkindern bis zu einem Alter von etwa fünf Jahren normal.

Erst, wenn Kinder sich auch später noch wiederholt und über einen längeren Zeitraum einnässen, ist die Suche nach der Ursache angebracht. Bei dieser Erkrankung spricht man von „Enuresis“. Das Einnässen kann entweder am Tag oder auch nachts erfolgen. Häufig liegen psychische Ursachen zugrunde. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache der Erkrankung.

Ursachen der Inkontinenz

Blasenschwäche ist ein Symptom, dem viele verschiedene Erkrankungen als Ursache zugrunde liegen können. Zuerst
sollte man die verschiedenen Formen der Harninkontinenz unterscheiden, um den tatsächlichen Ursachen für das ungewollte Wasserlassen auf den Grund zu gehen. Man unterscheidet zwischen:

  •     Belastungs- oder Stressinkontinenz
  •     Dranginkontinenz
  •     Überlaufinkontinenz
  •     Reflexinkontinenz

Allgemeine Ursachen für eine Blasenschwäche können das Alter und chronische Erkrankungen sein. Bei Frauen tritt eine Blasenschwäche oftmals auch nach einer Schwangerschaft oder hervorgerufen durch die hormonellen Veränderungen während der Wechseljahre auf. Männer sind insgesamt seltener von Inkontinenz betroffen. Hier können Prostatabeschwerden, insbesondere eine Operation an der Prostata, zu einer Blasenschwäche führen.

Belastungs- oder Stressinkontinenz

Unter der Belastungsinkontinenz versteht man den ungewollten Harnverlust bei körperlicher Anstrengung bzw. unter Belastung. So kann beim Tragen und Heben von Lasten, beim Sport, Lachen Husten oder Niesen Harn austreten. Dies führt zu einer Druckerhöhung auf den Beckenboden und der Harnröhrenschließmuskel ist nicht mehr in der Lage, die Harnröhre fest zu verschließen.

Bedingt ist die Belastungsinkontinenz durch eine geschwächte Beckenbodenmuskulatur oder eine Schädigung des Bindegewebes, besonders nach Entbindungen. Ein sinkender Östrogenspiegel während der Wechseljahre kann ebenfalls ursächlich für diese Art der Blasenschwäche sein. Durch den niedrigeren Östrogengehalt im Blut wird das Bindegewebe in der Beckenregion dünner und die Kontraktionsfähigkeit der Harnröhre geht zurück.

Die Belastungsinkontinenz ist die am weitesten verbreitete Form von Blasenschwäche bei Frauen. Bei Männern tritt sie dagegen selten auf, kann sich allerdings nach Prostata-Operationen, wie z.B. der Prostatahobelung (TUR-P) bei erschwertem Wasserlassen oder der kompletten Entfernung der Prostata bei Krebs (radikale Prostatektomie), zeigen.

Dranginkontinenz

Charakteristisch für die Dranginkontinenz ist ein plötzlicher, ungewollter Harnverlust, der mit einem starken Entleerungsdrang der Blase verbunden ist. Die Toilette kann nicht mehr rechtzeitig erreicht werden und es kommt zum unwillkürlichen Urinverlust. Die Muskeln um die Blase ziehen sich unkontrolliert zusammen, was zu einer Verkleinerung der Blase führt und dadurch eine unfreiwillige Entleerung der Blase auslöst. Hier liegt eine Störung der Reizwahrnehmung und der Reizweiterleitung vor.

Meist kommt es in kurzen Abständen zu einem erneuten Drang und es werden nur geringe Urinmengen normal über die Toilette entleert.

Diese Form der Blasenschwäche tritt oft bei Entzündungen des Harntrakts, der Blase oder den Nieren auf, kann aber auch auf einen Tumor im Schließmuskelbereich oder in der Blase hindeuten. Oft tritt die Dranginkontinenz bei Patienten auf, die bereits an einer Erkrankung im Bereich des Nervensystems leiden, wie etwa der M. Parkinson oder auch Diabetes mellitus gehören. Auch nach einem Schlaganfall können sich die Symptome zeigen.

Gelegentlich kann eine Belastungsinkontinenz zusammen mit einer Dranginkontinenz auftreten. In diesem Fall spricht man von einer Mischinkontinenz.

Chronische Harnretention mit Überlaufinkontinenz

Sammelt sich durch einen Harnstau oder eine Fehlfunktion der Blasenmuskeln eine zu große Harnmenge in der Blase an, kann es zu einem unfreiwilligen Harnverlust kommen. Die Blase läuft über und entleert sich danach komplett oder tröpfchenweise.

Die Überlaufinkontinenz ist die häufigste Form der Blasenschwäche bei Männern, meistens verursacht durch eine Prostatavergrößerung oder eine Harnröhrenverengung.

Bei Frauen ist sie eher ungewöhnlich, aber auch hier kann eine Einengung der Harnröhre z.B. durch einen Harnröhrenvorfall oder die Senkung von Beckenbodenorganen zu einem Verschluss der Harnröhre führen.

Reflexinkontinenz

Eine Reflexinkontinenz tritt in Folge einer Hirnstörung oder Verletzung des Rückenmarks auf. Die Blasen- und Schließmuskelfunktion lassen sich nicht mehr willentlich kontrollieren.

Diese Art der Blasenschwäche kann durch neurologische Erkrankungen oder Verletzungen des Gehirns oder des Rückenmarks entstehen, zum Beispiel durch einen Unfall, der zur Querschnittslähmung führt. Auch bei Patienten mit Multipler Sklerose oder bei älteren Patienten mit Demenz oder Alzheimer kann diese Art der Harninkontinenz auftreten.

Es kommt dabei zur Unterbrechung der Nervenbahnen, die das für die Blasenentleerung verantwortliche Steuerungszentrum im Gehirn mit Harnblase und Schließmuskel verbinden. Als Folge tritt eine Störung der Koordination und Verlust der Kontrollfunktion von Blase und Schließmuskel auf. Reflexartige Kontraktionen der Blasenmuskulatur führen zum Urinabgang. Je nach Lokalisation der Verletzung der Nervenbahnen kann es auch zu einer schlaffen Blase mit erhöhtem Restharn kommen.

Extraurethrale Inkontinenz

Bei der extraurethralen Harninkontinenz liegt eine angeborene, fehlerhafte Mündung der Harnröhre unter Umgehung des Schließmuskels nach außen vor. Ursache kann auch eine Bestrahlung oder Operation sein, in deren Folge es zu einer Blasen-Scheiden-Fistel oder Harnröhren-Scheiden-Fistel kommt.

Diagnose der Harninkontinenz

Die Diagnose der individuellen Ursache für eine Blasenschwäche stellt der Arzt. Dazu gehört die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) des Patienten, oft gekoppelt an Inkontinenzfragebögen, und eine körperliche Untersuchung. Die Anamnese beinhaltet das Erfragen von Miktions-, Trink- und Stuhlgangverhalten. Medikamente, Geburten, Voroperationen und neurologische Erkrankungen sind ebenfalls wichtige Aspekte der Krankengeschichte.

Das Führen eines Miktionstagebuchs hilft dem Arzt bei der Diagnose. In diesem Tagebuch hält der Patient über mehrere Tage die für die Blasenschwäche relevanten Ereignisse fest, wie etwa

  •     Auftreten der Inkontinenz
  •     Häufigkeit und Menge des Urinierens
  •     Trinkverhalten

Bei der körperlichen Untersuchung erfolgt eine Urinuntersuchung, Ultraschall, ggf. eine Röntgenuntersuchung des Harntrakts, eine Harnröhren- und Harnblasenspiegelung und eine urodynamische Untersuchung.

Wenn die Diagnose gesichert ist, sollten Arzt und Patient zusammen einen individuellen Therapieweg festlegen.

Behandlung der Harninkontinenz

Die Therapie einer Blasenschwäche richtet sich nach der Ursache, die sie ausgelöst hat.

Therapie der Belastungsinkontinenz

Da die Belastungsinkontinenz durch eine Schwächung der Beckenbodenmuskeln verursacht ist, lässt sich hier oft schon durch einfach durchzuführende Beckenbodengymnastik Abhilfe schaffen.

Beckenbodengymnastik

Ein gezieltes Training der Beckenbodenmuskulatur fördert die Stärkung der Muskeln und einem ungewollten Harnverlust kann vorgebeugt werden. Das Training ist effizient, hat keine Nebenwirkungen und dauert nicht sehr lange. Es sollte langfristig angewendet werden, da eine Stärkung der Muskulatur nicht über Nacht eintreten wird. Eine Verbesserung stellt sich allerdings erst nach Wochen bzw. Monaten ein.

Weitere Therapiemöglichkeiten

Als zusätzliche Behandlungsform ist hier die Elektrostimulationstherapie zu nennen. Mittels einer vaginalen oder rektalen Sonde werden Reizströme verabreicht. Diese Impulse verbessern die Blasenfunktion und die Beckenbodenstabilität.

Auch medikamentös kann man der Belastungsharninkontinenz zu Leibe rücken. Eine lokale, vaginale Östrogenisierung mittels Salben oder Zäpfchen wirkt ebenfalls unterstützend.

Operative Behandlung

Falls die konservativen Therapien keinen oder nur wenig zufriedenstellenden Erfolg zeigen, dann gibt es die Möglichkeit einer Bandoperation, die die geschwächten Bandstrukturen des Harnröhrenschließmuskels verstärken sollen. Die TVT-Operation (TVT steht hier für tension-free vaginal tape, zu Deutsch spannungsfreies Vaginal-Band) ist ein minimal-invasiver Eingriff und gilt als Standard bei operativen Behandlung einer Belastungsinkontinenz bei Frauen.

Dabei wird ein etwa 1,5cm breites, dehnbares Band durch die Vagina in den Körper eingeführt und an der Stelle um die Harnröhre gelegt, an der sich die Muskulatur gelockert hat. In ca. 90% der Fälle kann so die Blasenschwäche beseitigt werden.

Ist die Funktionsstörung des Schließmuskels mit einer Senkung eines oder mehrerer Beckenorgane verbunden, kann man mit einer gezielten Aufrichtung mittels vorderer, hinterer oder einer kompletten Netzplastik diese Absenkung beheben.

Es gibt auch die Möglichkeit einer Scheidenaufrichtung mittels einer Netzzwischenlage an das Kreuzbein, was sowohl offen, laparoskopisch oder per DaVinci-System durchgeführt werden kann. Je nach postoperativem Verlauf der Harninkontinenz kann diese zusätzlich mit einem Band behoben werden.

Auch bei Männern nach einer radikalen Prostatektomie mit einer postoperativen Belastungsharninkontinenz bei noch ausreichender Restfunktion des Schließmuskels kann ein Band zur Therapie eingelegt werden (Schlingenplastik, male sling-Operation). Voraussetzung ist, dass die konservativen Therapien wie Beckenbodengymnastik und Elektrostimulationstherapie nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben.

Bei Zustand nach Bestrahlung oder kompletter Inkontinenz ist eher die Einlage eines künstlichen Schließmuskelsystems zielführender. Nach Aktivierung des Systems kann der Patient selbst über einen im Hodensack platzierten Druckknopf die Miktion steuern.

Bei einer Patientin mit schwach tonisierter Harnröhre, nach Versagen eines Harnröhrenbandes oder auch bei Zustand nach Bestrahlung der Beckenregion kann eine Depoteinspritzung in die Harnröhre zur Verbesserung der Harninkontinenz vorgenommen werden.

Therapie der Dranginkontinenz

Der Schwerpunkt der Therapie bei Dranginkontinenz liegt in der medikamentösen Therapie. Hauptsächlich werden sogenannte Anticholinergika eingesetzt, die zur Abschwächung des übermäßigen Drangs führen.

Auch die intramuskuläre Injektion des Neurotoxins Botulinum (Botox) in kleinen Dosen in die Blasenwand, die über eine Blasenspiegelung meist in Allgemeinnarkose eingespritzt werden, kann die Symptome lindern.

Therapie der Mischharninkontinenz

Die Therapie richtet sich je nach Konstellation und Ausmaß der beiden Inkontinenzformen und wird darauf mit den bereits genannten Therapieoptionen abgestimmt.

Therapie der Überlaufinkontinenz

Durch die chronische Harnretention mit Überlaufinkontinenz können auch die Nieren zunehmend Schaden nehmen. Daher sollte eine Behandlung des Harnröhrenverschlusses durch

  •     eine Prostatagewebsabtragung mittels TUR-Prostata,
  •     Einsatz von z.B. Greenlight-Laser oder
  •     Schlitzung der Harnröhre

erfolgen.

Auch bei der weiblichen Überlaufinkontinenz steht meist eine entsprechende operative Behandlung im Vordergrund.

Therapie der Reflexinkontinenz

Eine medikamentöse Therapie ist vorrangig. Dazu ermöglicht der intermittierende Selbstkatheterismus eine restharnfreie Entleerung. Darunter versteht man, dass sich der Patient selbst wiederholt einen einmal verwendbaren Blasenkatheter legt, um die Blase zu entleeren. Oberstes Ziel des Selbstkatheterismus ist neben der Harnentleerung vor allem der Schutz der Nieren.

Gegebenenfalls ist auch eine kontinuierliche Harnableitung z.B. mittels eines suprapubischen Blasenkatheters notwendig.
Datenschutzerklärung Impressum Zurück
Share by: